Reisebericht Veloreise durch Kanada
Durch die weite Wilnis KanadasDrittes Kapitel des vierteiligen Reiseberichtes der Radreise durch die Rocky Mountains. Nach der Etappe im Jasper Nationalpark und der tollen Abwechslung mit der Wanderung im Mount Robson Provincial Park, zog sich die Route auf dem Highway No 5 nun in südöstliche Richtung, durch die Ortschaften Valemount, Blue River, Clearwater, Kamloops, Cache Creek und Lillooet. Mal ging es durch die weite Wildnis und dichte Wälder, dann entlang von Flüssen und Seen. Immer umgeben von den Bergzügen der massiven Rocky Mountains. Manchmal folgten die Strassen den Konturen der Berge, manchmal führten Pässe über die Bergrücken. |
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Mount Robson Provincial Park
Die Wettersituation im Tal zeigte sich von der besseren Seite als der immer noch in einem unmodischen, grauen Wolkenrock bekleidete Mount Robson. Ich verliess den Mount Robson Nationalpark und kam ins Gebiet des gewöhnlichen Kanada, was aber nicht minder attraktiv war.
Mückenplage beim wilden Zelten
Nach rund 80 km zwang mich die Dunkelheit ein Nachtlager zu suchen, was hier im Niemandsland das kleinste Problem war. Ich wählte eine von einem Hügel und Bäumen geschützte, perfekt scheinende Wiese, etwas abseits der Strasse. Jedoch war ich innert Sekunden von Tausenden von Stechmücken umzingelt. Ich versuchte mich mit langärmligen Kleidern, der Kapuze, Handschuhen und Mückenschutzmittel im Gesicht vor dem Schlimmsten zu schützen. So schnell hatte ich das Zelt noch nie in meinem Leben aufgestellt! Fehlte nur noch ein Spurt durchs mannshohe Grass zum Waldrand, möglichst weit weg vom Camp, um den Proviant vor Bären sicher auf einen Baum zu binden. Schwärme von Radfahrer verehrenden Blutsaugern verfolgten mich auf Schritt und Tritt.
Dann aber Reissverschluss zu und ich war gerettet! Ich klatschte die letzten hartnäckigen Eindringlinge zu Tode und lächelte den draussen vor dem Moskitonetz immer noch tobenden Insekten triumphierend zu. Man kann nicht immer gewinnen, auch ich musste schon hungrig ins Bett. Als ich aber die rot angeschwollenen Stiche zählte, zogen sich die Mundwinkel des Lächelns rapide nach unten und mir schien als lächelten die Mücken ihrerseits nun wieder.
Radtour von Valemount nach Blue River
Was ist schlimmer, Regen oder Moskitos? Immerhin vertragen sich die beiden nicht gut miteinander und darum begrüssten mich heute Morgen mehr Regentropfen als Moskitos. Dank der angeeigneten Routine stand ich trotz allem bald abfahrbereit vorne an der Strasse. Das Frühstück hing auch noch immer am Baum, etwas aufgeweicht vom Regen zwar, aber immer noch den Zweck erfüllend.
Ich pedalte dem Yellowhead South Highway entlang, begleitet vom Thompson River, der hier noch als Bach ganz am Anfang seiner grossen Karriere stand und mir den ganzen Tag abwechselnd auf beiden Seiten Gesellschaft leistete. Ehrlich gesagt war ich auch schon besser drauf, das deprimierende Wetter hatte es in sich. Durch viel gutes Zureden und Selbstmotivation bekämpfte ich meine eigene Psyche und schaffte es irgendwie bis Blue River.
Die Mückenplage war ähnlich misslich wie gestern, ich glaubte sogar einige dieser Fieslinge wieder zu erkennen. Egal, nach vollendetem Zeltaufbau widmete ich mich der noch praktisch nie benutzten Lektüre von "Casino". Das heisst nicht das Buch sei so schlecht, vielmehr fehlte mir schlicht die Zeit. Lange machte ich es auch jetzt nicht, noch vor 19 Uhr überkam mich die Müdigkeit.
Regen, Regen, Regen
Nach über zwölf Stunden Ruhezeit war ich wieder bereit für die nächste Radetappe. Das morgendliche Gewitter war auch schon wieder pünktlich am Wasser lassen und der heftig aufkommende Wind war bestrebt möglichst in Gegenfahrtrichtung zu wüten. Als kleiner Trost konnte die immer noch feuchte Regenjacke nicht mehr viel nässer werden.
Die Weiten Kanadas
Ich befand mich in einem richtigen Biker-Rausch, hatte meinen Blick auf den Ausschnitt zwischen der gelben Mittellinie und der weissen Seitenlinie fixiert und raste wie ein Besessener durch das Tal des Thompson River. Obwohl ich unendliche male auf die Karte vor mir auf der Lenkertasche spähte, änderte sich überhaupt nichts, keine einzige Strassenkreuzung oder Fleckchen Zivilisation war eingezeichnet auf den nächsten 100 km. Die Weiten Kanadas spürte ich hier besonders prägnant.
Fahrrad-Meditation
Der Regen hatte zwar etwas nachgelassen, der Wind stellte sich aber unvermindert intensiv gegen mich. Dieser Teil der Velotour war ein hartes Stück Arbeit. Ich wechselte immer wieder die Sitzhaltung, so gut das eben beim Fahrradfahren ging. Meine Hände griffen immer wieder vom Lenker zu dem Hörnchen und zurück. Zum Glück lief diese Etappe ohne Pannen ab. Der Vorteil an einer solchen monotonen Fahrt ist, dass man seinen Gedanken freien Lauf lassen kann. Das Radfahren erhält somit meditative Züge und wirkt ungemein befreiend.
Small Talk
Die sozialen Kontakte unterwegs beschränkten sich meist auf den üblichen Small Talk mit den Tankstellenshop-Angestellten, Fragen zu den Strassenverhältnissen meinerseits und einige wenige Automobilisten interessierten sich noch für den Ausgangspunkt und das Ziel meiner Veloreise. Darauf starrten sie mich oft mit diesem Blick zwischen "der-spinnt-ja-und-stiller-Bewunderung" an, stiegen wieder in ihre Mietwagen oder Pick-ups und weg waren sie. Ehrlich gesagt tat aber diese minimale Andeutung von Anerkennung trotzdem gut.
Auf nach Cache Creek
Zuerst folgte ich dem Kamloops Lake, welcher später unmerklich wieder zum gewaltigen Thompson River wird. Den ganzen Tag ging es hoch und runter und wieder hoch und wieder runter... zum schwindlig werden. Trotzdem meisterte ich diese Etappe bravourös, das Fahrrad rollte wie von alleine. Gegen Abend dinierte ich einen ungesunden Wendy-Burger und fettige Wendy-Fritten.
Zelten bei den Indianern
Zur Verdauung dieser kulinarischen Sünden strampelte ich noch eine gute Stunde weiter, aufmerksam die Gegend nach einem zweckmässigen Nachlager auskundschaftend. Plötzlich entdeckte ich links am Waldrand einige Zelte und Trucks. Als ich mich der im Kreise versammelten Gruppe näherte, erkannte ich sofort ihre indianischen Gesichtszüge. Sie warteten auf weitere Stammesbrüder um hier ihr jährliches Pow-Wow (Versammlung) abzuhalten. Grosszügig liessen sie ihren radfahrenden Blutsbruder auch sein Tipi in ihrem Dorf aufstellen, was ich mit respektvollem Abstand auch tat.
Radtour durch den Marble Canyon
Die frühmorgendlichen Sonnenstrahlen wärmten zwar meine Muskeln auf, konnten gegen den Hunger aber auch nicht viel ausrichten. Nach einer guten Stunde bergauf, durch den sehr attraktiven Marble Canyon mit gleichnamigen See, verdiente ich mir das Frühstück aber redlich. Am Nachmittag traf ich wieder auf den Fraser River, welcher in der gleichen Region wie der Thompson River entspringt, aber zuerst eine riesige Schlaufe gegen Norden dreht. Bei Lillooet schlich ich mich unbemerkt auf den Campingplatz und richtete mich ein.
Geburtstagsparty in Lilloet
Im Dörfchen oben wurde der fünfzigste Geburtstag der Gründung von Lillooet gefeiert. Der Höhepunkt war die riesige Geburtstagstorte mitten auf dem Hauptplatz. Ich glaubte jeden Augenblick müsse Miss Lillooet Beauty aus der Torte springen, aber nach stundenlangem warten gab ich es auf. Stattdessen diente mir ein grosse Portion Torte als Nachtessen. Lillooet zeigte sich grosszügig mit seinen Gästen, offerierte mir gratis Übernachtung und Essen. Zum Dank stiess ich mit ein paar Bier mit den Einheimischen auf der Festwiese an, bis in die späten Abendstunden!
Nächste Radetappe: Mit dem Bike nach Whistler und Vancouver
Vorherige Etappe: Radreise durch den Jasper Nationalpark