Reisebericht Trans Rocky Mountains Radreise
Ein Reisetraum wird wahr
Ein Reisetraum sollte wahr werden - der Traum der Überquerung der Rocky Mountains in Kanada mit dem Fahrrad, von Ost nach West, vom Flachland bei Calgary über die schneebedeckten Berge bis an den Pazifischen Ozean bei Vancouver. Die Strecke auf dem fantastischen Icefields Parkway, durch die eindrückliche Bergwelt im Banff Nationalpark und Jasper Nationalpark, bildeten die ersten Höhepunkte. Gleich angrenzend in der Provinz British Columbia befindet sich der Mount Robson Provincial Park, wo ein Trekking auf dem Berg Lake Trail hoch zum Mount Robson Gletscher unvergesslich bleibt. Es geht auch ohne Nationalparks, der Southern Yellowhead Highway führte mit dem Thompson River durch die weite kanadische Wildnis. Dann ging es nochmals so richtig rein in die Rocky Mountains, von Lilooet zum Duffey Lake hoch und weiter in das Mountainbike Paradies Whistler. Auf dem Sea to Sky Highway 99 radelte ich zu meinem Reiseziel Vancouver und dem Pazifischen Ozean.
Von New York nach Calgary
Nachdem ich etwa 9 Monate als Backpacker in den USA unterwegs war, wollte ich den Trip durch Nordamerika als Aktivreise fortsetzen. Nach einer erinnerungswürdigen Abschiedsparty bei meinen Freunden in New York, gelangte ich mit einem kurzweiligen Air Canada Flug von New York nach Calgary, dem Ausgangspunkt meiner bevorstehenden Fahrradtour.
In Calgary angekommen, war ich bestimmt eine Stunde mit dem Zusammenbauen des Fahrrades und dem zweckmässigen Umpacken meiner Kleider und Ausrüstung in die beiden Karrimor Packtaschen beschäftigt. Als ich alles auf dem Gepäckträger festgezurrt hatte, machte ich mich bei anbrechender Dunkelheit auf den Weg ins Zentrum von Calgary.
Geschafft! Nach etwas Umherirren im Feierabendverkehr der Grossstadt, erkannte ich das dreieckige, blaue Hostelling International Symbol mit dem Hüttchen und dem Tännchen. Ich war froh, dass ich am Vortag reserviert hatte, sonst wäre ich heute abgewiesen worden, das Haus war nämlich voll. Die Eincheck-Formalitäten waren schnell erledigt. Ich erhielt den oberen Liegeplatz in einem Kajütenbett und das Fahrrad einen Abstellplatz im Keller unten zugewiesen. Erschöpft liess ich mich auf das Bett fallen. Was für ein Tag!
Reisevorbereitungen
Die nächsten Tage war ich neben etwas Sightseeing in Calgary vor allem mit dem Planen, der Organisation und Vorbereitung meiner bevorstehenden Trans Rocky Mountains Veloreise beschäftigt. Die Top-Priorität hatte dabei die Anschaffung eines Zeltes. In Calgary mangelt es bestimmt nicht an guten Outdoor-Shops und ein North Face Zelt wurde als neues Zuhauses der kommenden Wochen auserkoren.
Wenn wir schon von Reiseausrüstung sprechen, als fahrbarer Untersatz wählte ich ein umgebautes Mountainbike der Marke Wheeler, welches mich (erstaunlicherweise) nur mit einem einzigen Plattfuss durch die ganzen Rocky Mountains begleiten sollte. Die ganze Ausrüstung hatte ich in zwei Karrimor Hinterradtaschen und einem auf dem Gepäckträger fixierten Rucksack verpackt. In der Ortlieb Lenkertasche befand sich die Kamera, musikalische Technologie und die Zwischenverpflegung. Alles perfekt verstaut, die Anordnung würde sich während der ganzen Reise nicht mehr ändern, jedes kleinste Objekt hatte seinen fest zugewiesenes Platz, damit ich die Sachen auch blind, respektive im Dunkeln finden konnte.
Nachdem das Bike nun immerhin schon 9 Monate untätig in New York auf seinen grossen Auftritt gewartet hatte, wurde es einer gründlichen Reinigung und Revision unterzogen. Einige Einrolltouren in der Umgebung von Calgary stimmten auch mich auf die bevorstehende Radreise ein. Zudem mussten die Kleider gewaschen und die Haare aerodynamisch gestutzt werden. An einem Freitag, Ende Juli war es dann endlich soweit, das Abenteuer durch die kanadische Wildnis konnte starten.
Radreise von Calgary in den Banff Nationalpark

Frühmorgens pedalte ich munter drauflos. Ein Radweg führte mich am Olympiagelände der Winterspiele von 1988 vorbei aus der Metropole. Lange Zeit befürchtete ich einen Platten oder sonst ein Problem wegen der schweren Last hinten drauf zu erhalten. War das Mountainbike doch bisher nur im alpinen Einsatz erprobt, jedoch nicht als Lastenträger. Aber bald beruhigte ich mich und konzentrierte mich aufs Vorwärtskommen. Die Landschaft war topfeben, nichts zu sehen von den Rocky Mountains. Ich wollte die ersten Ausläufer des Gebirges unbedingt noch heute erreichen und sputete mich dementsprechend. Ich brauchte mich überhaupt nicht anzustrengen, die Freude an dieser Selbstverwirklichung wirkte wie ein Motor, es ging wie von alleine vorwärts.
Am späten Nachmittag war es immer noch flach, wie es flacher gar nicht sein konnte. Die Strasse zog sich in gerader Linie gegen den Horizont, dem man die Erdrundung ansehen konnte. Nur kein Zeichen von irgendwelchen Bodenerhebungen, Hügeln, geschweige denn Berge. Das lokale Radio spielte überraschenderweise ein Lied des Kompatrioten Andreas Vollenweider. Dieser alpine Gesang schien die Natur umzustimmen, plötzlich erhoben sich vor mir die ersten Bergzüge und zwängten den Fluss und die Strasse in ein Tal hinein. Nun war ich drin, in den Rocky Mountains! Die Müdigkeit vergessend, setzte ich zum Endspurt an. Nach 8.5 Stunden im Sattel, mit nur einem kurzen Rast, erreichte ich den Kurort Banff, Hauptort im Banff Nationalpark. Diese erste Etappe über 150 km sollte auch gleich die längste der ganzen Reise sein.
VIP-Zeltplatz in Banff
Obwohl mich unzählige Stechmücken davon abbringen wollten, schlug ich mein Zelt gut getarnt hinter einigen Bäumen und Büschen gleich neben der Jugendherberge auf, damit ich deren Infrastruktur gebrauchen konnte. Mit einem Pack Spaghetti und einer Dose Tomatensauce in der Hand, schlich ich mich in die Küche des Hostels, ein Abendessen in guter Backpacker-Gesellschaft darf einem nicht verwehrt bleiben.
Radetappe nach Lake Louise

Es ging tiefer rein in den Banff Nationalpark, in die Berge, in die Rocky Mountains . Ich fühlte mich voll im Element, wie zu Hause auf den unzähligen Biketouren in den Alpen. Die Berge verliehen mir Kraft und Energie. Ich befand mich praktisch immer in der Nähe eines Flusses oder eines Sees. Bewaldete Hügelketten und karge Bergzüge zum Teil mit schneebedeckten Gipfeln wechselten sich ab. Im Johnston Canyon mit seinen spektakulären Wasserfällen und waghalsigen Weg hinein in die Schlucht, unternahm ich zu Fuss einen längeren Ausflug. Anschliessend radelte ich auf der eigentlich ziemlich einsamen Parkstrasse weiter. Und doch hatte es mir zu viele Autos, Mietwagen, Wohnmobile und Reisebusse, welche die totale Ruhe ins Ungleichgewicht brachten.
Mountainbike Tour zum Moraine Lake
Die kanadische 20-Dollar-Note gab den Anstoss für den heutigen Abstecher, mit dem Mountainbike rauf zum Moraine Lake, welcher auf der Rückseite besagten Geldscheins zu sehen ist. Der See liegt am Fusse einer Gletscherzunge in schönster Bergwelt. Das alpine Klima auf dieser Höhe liess einen seinen eigenen Atem in der eisernen Luft erkennen und lud wegen den frischen Temperaturen nicht gerade zum langen Verweilen ein. Auch war der Himmel bedrohlich düster und von dunkelsten Wolken belagert. Vereinzelt tropfte es schon, so als Vorwarnung auf das grosse Gewitter. Ohne die Bremsen stark zu gebrauchen raste ich die steile Strasse wieder runter nach Lake Louise.
Bergetappe auf den Bow Pass
Mit einer deftigen morgendlichen Etappe ging es auf den etwa 2'100 m hohen Bow Pass. Das überwältigende Setting mit riesigen Gletschern und türkisblauen Seen liess aber alle Strapazen schnell vergessen. Ganz in der Nähe lag der Mistaya Canyon, eine tiefe, sich im Zickzack windende Schlucht mit vielen Gletschermühlen und natürlichen Steinbögen.
Zelten und Bären
Eigentlich hatte ich vor unten im Tal am Ufer des Saskatchewan Rivers zu campieren. Ich machte noch einen Zwischenhalt bei der Rampart Creek Lodge, um etwas Proviant zu besorgen. Als ich den Angestellten fragte, warum die Türen der einten Hütte so eingedrückt wäre, erzählte er mir von seinem Abenteuer mit einem streunenden Bären, welcher vor einigen Tagen hier einbrechen wollte. Plötzlich war mir nicht mehr so wohl mit meinen Plänen zum Zelten und fragte gleich nach einem Zimmer hier. Wenn ein Bär eine massive Holztüre aufdrücken kann, wie würde wohl ein Zelt nach dem Besuch eines Bären aussehen?
Mit der untergehenden Sonne las ich noch eine Weile an dem weiter unten fliessenden Fluss, welcher als fester Bestandteil der Infrastruktur auch als Geschirrabwaschstätte und Bad herhalten musste. Am Abend wurde bei schwachem Licht einer Gaslampe im Gemeinschaftsraum unter den Gästen noch eine Weile über Bären und andere Abenteuer diskutiert, bis sich alle schon früh zur Ruhe legten.
Nächste Etappe: Fahrradtour durch den Jasper Nationalpark