Busreise aus den Bergen in die Tropen
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Die mehrmonatige Rundreise durch Peru hatte uns bereits von Lima nach Arequipa geführt, in den Anden hoch zum Titcaca-See und zu den Inka-Ruinen von Machu Picchu. Nach einem Besuch in der Hauptstadt Lima gelangten wir Richtung Norden in die andine Region von Huaraz und von dort weiter nach Cajamarca. Nach der ausgedehnten Zeit in der Bergwelt der Anden, wollten wir den Amazonas Regenwald erleben und mit einem Flusschiff nach Iquitos weiter reisen. Durch die immensen Distanzen innerhalb von Peru und die abenteuerlichen Strassenverhältnisse, brauchten wir ganze drei Tage von Cajamarca hinunter in den Amazonas in die Hafenstadt Yurimaguas. |
Suche nach einer Busverbindung
Von Cajamarca aus erreichte ich nach einer mehrstündigen Fahrt Celendin. Sofort informierte ich mich im Dorfladen, welcher auch als Busterminal diente, nach Bussen ins Amazonas Gebiet. Doch die hinter Zigarettenschachteln und Süssigkeiten versteckte Frau erklärte mir, dass der einte ihrer zwei Busse in Cajamarca in der Werkstatt sei und der andere erst in vier Tagen zurück sei.
Etwas konsterniert nahm ich mir ein Zimmer in einem Hotel. Mit meinen Gedanken war ich schon damit beschäftigt, was ich vier Tage lang in diesem Dörfchen tun sollte. So beiläufig erwähnte ich meine Situation dem Rezeptionisten. Zu meiner grossen Erleichterung meinte er, es gebe noch ein anderes Transportunternehmen. Tatsächlich konnte ich ein Ticket für nächsten Sonntag erstehen.
Die Reisewelt schien wieder verheissungsvoller. Ich genoss die einzige Attraktion von Celendin: die herrliche Bergwelt der Anden. Gut gelaunt wanderte ich in einem riesigen Bogen umd die Ortschaft, freute mich aber schon auf die morgendliche Weiterfahrt in Richtung Amazonas.
Durch das Tal des Rio Marañon

Zwar nicht so pünktlich wie angekündigt, aber immerhin noch am Sonntag, machte sich der kleine Bus mit dem viel versprechenden Namen "Empresa de Transportes Virgen del Carmen" auf den Weg gegen Osten. Die Fahrt war eine wahre Augenweide. Die Landschaft der Inbegriff schlechthin der wilden Anden. Zuerst ging es in unzähligen Kurven runter in das Tal des Rio Marañon, einer der wichtigsten Zuflüsse des Amazonas. Auf einer baufällig erscheinenden Brücke überquerten wir die braune Wassermasse des Rio Marañon.
Auf der anderen Talseite angelangt, galt es 3000 Höhenmeter hoch zu klettern. Auf etwa halber Strecke blieb der Bus jedoch hoffnungslos stecken. Die Regenfälle der vergangenen Tage hatten die Strasse arg in Mitleidenschaft gezogen. Während alle Passagiere raus beordert wurden, versuchten die drei Jungs der Busbelegschaft eifrig die Piste mit Pickel und Schaufel auszubessern. Mit Holzstücken und Steinen versuchten sie den Rädern Halt zu geben. Nach einiger Anstrengung befreiten sie den Bus aus der misslichen Lage. Trotzdem wurden wir angewiesen zu Fuss weiterzugehen, während sich der Bus langsam die Bergstrasse hoch kämpfte. Erst als es anfing einzudunkeln und wir schon fast ganz oben waren, durften wir unsere Sitze wieder einnehmen. Glücklicherweise erreichten wir bald eine Ansammlung von Häusern. Alle Passagiere und Buspersonal waren entweder vom Gehen oder Schaufeln ausgelaugt und fielen gierig über das gebotene Abendessen her.
Tingo by night
Nach dem mächtigen Tal des Rio Marañon verbesserte sich der Zustand der Strassen merklich und wir kamen schneller voran. Gegen Mitternacht kündigte der Fahrer lautstark die Ortschaft Tingo an. Als einziger Reisender kramte ich meine Sachen zusammen und stieg aus. Nach dem Verschwinden der roten Rücklichter des Busses, blieb alles Dunkel. Ein Uniformierter zog an einem Strick eine Schranke runter und sicherte sie mit einem verrosteten Bügelschloss. Nachts war angeblich Fahrverbot auf diesem Andenpass. Ich fragte ihn nach einer Unterkunft. "Dort hinten links", meinte er und war endgültig verschwunden. Ich suchte meine Stirnlampe hervor und machte mich in Richtung "dort hinten links". Tatsächlich gab es ein einsames Häuschen und nach mehrmaligem Klopfen wurde mir geöffnet. Eine ältere, hagere Frau mit vorgehaltener Kerze lächelte mich an und wusste genau was ich wollte. Sie wies mir einen Raum mit nichts ausser einem einzigen Bett zu. Dann drückte sie mir die Kerze in die Hand und verschwand ebenso schnell, wie es bei den Bewohnern hier üblich zu sein schien.
Kuelap - Ruinen der Chachapoyas Kultur
Der Grund für meinen Zwischenstopp in Tingo war die archäologische Stätte Kuelap. Doch diese lag etwa vier Stunden Fussmarsch in den Bergen oben. Der Weg war stark verschlammt und wie der Bus gestern, hatte auch ich heute meine liebe Mühe zu Fuss hoch zu kommen. Zudem fing es auf halber Strecke an zu regnen. Ich beschloss erneut bei einer Familie um Unterkunft zu bitten und die Besichtigung auf den morgigen Tag zu verschieben.
Josuelo, der Sohn der Hausherrin, führte mich am nächsten Tag den letzten Abschnitt zu den in dicken Nebel gehüllten Ruinen hoch. Kuelap liegt mitten in üppiger Vegetation, mit sehr grossen Bäumen, bedeckt mit Orchideen und Bromelien. Die Anlage wurde von den Chachapoyas, was "Leute der Wolken" bedeutet, sehr geschickt erbaut. Auf der vorderen Seite dominiert eine riesige bis 20 m hohe Steinmauer und gegen hinten kläfft ein tiefer, unüberwindlicher Abgrund. Nur einen Schwachpunkt hatte die dazumal als uneinnehmbar geltende Festung, es gab keine Wasserversorgung. Das nutzten die Inkas zu ihren Gunsten, als sie nach einer langen Belagerung die Chachapoyas als eines der letzten widerstehenden Königreiche unterwarfen.
Gegen Mittag machte ich mich an den Abstieg, wobei es mehr ein Rutschen als ein Gehen war. Im Tal unten wartete ich geduldig auf einen Kombi, der mich ins Städtchen Chachapoyas bringen sollte.
Freundliche Verhaftung

Chachapoyas ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Drei Verbindungswege treffen hier zusammen. Zum einen die von mir zurückgelte, drei tägige Route durch die Anden nach Cajamarca. Dann eine Strasse, welche in 24 Stunden an die pazifische Küste nach Chiclayo führt und schlussendlich die von mir anvisierte Piste in den Amazonas hinein.
Da es keinen Busterminal gab, stellte ich mich abends einfach mal an die Kreuzung. Plötzlich näherten sich fünf Polizisten. Sie deuteten mir an mitzugehen. Gleich um die Ecke diente ein heruntergekommenes Haus als Polizeiposten. Hier wollten sie den Pass sehen und fingen an mich auszufragen. Doch als sie bemerkten, dass ich die spanische Sprache ohne Probleme beherrschte, wurde aus dem ungemütlichen Verhör ein angenehmes Gespräch. Ich erzählter ihnen von meiner Reise durch Peru und sie erklärten mir die Problematik wegen den Anbaugebieten von Drogen in dieser Region. Manchmal gebe es Überfälle auf vorbeifahrende Reisebusse. Deshalb werden hier oft alle Busse abgefangen, um in einem Konvoi unter Polizeischutz durch die kritische Zone gebracht zu werden! Und wie steht es heute? Darauf wussten sie noch keine Antwort. "Vamos a ver", mal sehen, meinten sie typisch südamerikanisch. Einer hielt mir noch so eine Art Gästebuch zum Registrieren hin. Damit wussten sie wer allenfalls überfallen wurde. Meine Euphorie auf die Reise war merklich geschrumpft. Ich verabschiedete mich von den Polizisten und setzte mich wieder auf den Strassenrand.
Auf jeden Fall kein Überfall
Skandalös hupend und Staub aufwirbelnd kam wenig später ein Bus genau vor mir zu stehen. Bevor ich überhaupt fragen konnte, wohin genau er fahren würde, wurde mir der Backpacker-Rucksack aus der Hand gerissen und unten verstaut. Ich wurde in den stickigen Bus gestossen und bekam ganz hinten den allerletzten Platz zugewiesen. Innerhalb von Sekunden, bevor sich der Staub des Abbremsens überhaupt gelegt hatte, wirbelte schon der Staub der ebenso skandalösen Abfahrt.
Im scheidenden Tageslicht konnte ich noch Erkennen, wie wir die letzten Ausläufer der Anden hinter uns liessen. Bald jedoch wiegte mich das Rütteln in einen tiefen Schlaf. Es musste ungefähr gegen Mitternacht gewesen sein, als der Bus zu einem abrupten Stopp kam. Die Lichter gingen an und jemand befahl uns sofort auszusteigen. Mir fiel echt das Herz in die Hose. Jetzt hatte es uns also erwischt! Instinktiv schob ich den Geldgürtel tiefer in die Hose runter und hoffte er würde nicht entdeckt. Zitternd aber hellwach stieg ich aus. Mein Rucksack hatte anscheinend schon einen neuen Besitzer gefunden. Ein junger Typ hatte ihn geschultert und verschwand aus meinem Blickwinkel. Alle Passagiere standen vor dem Bus im Scheinwerferlicht rum. Plötzlich heulte der Motor wieder auf und der Bus verschwand in der Dunkelheit.
Wir schienen auf einer kleinen Lichtung zu sein, umgeben von einer dunklen Silhouette von Bäumen. Erst jetzt entdeckte ich noch einen anderen Bus neben uns. Wurden gleich zwei Busse überfallen? Doch dort stand auch der Junge mit meinem Rucksack und winkte mich zu sich. "Vamonos! Gehen wir", rief er mir zu. "Dieser Bus fährt weiter nach Tarapoto!" Ahh, ich hätte schreien können vor Erleichterung. Was für ein aufregender Buswechsel mitten in der Nacht! Und weiter gings. Nun mit schön viel Platz und frischer Waldluft, nickte ich bald wieder ein, während der Bus immer tiefer in den Amazonas eindrang.
In der Urwald-Stadt Yurimaguas
Trotz sehr holpriger Fahrt erreichte ich am nächsten Morgen einigermassen ausgeruht Tarapoto, die grösste Stadt der Provinz San Martin. Der Aufenthalt hier reichte gerade mal für ein fünf minütiges Frühstück, bevor ich im nächsten Bus Platz nahm. Die Strecke führte durch eine flache Dschungel-Landschaft und wurde mit der Zeit ziemlich eintönig. Wald, Wald und noch mehr Wald. Nur ab und zu sah man ein einsames Hüttchen und halbnackte Kinder näherten sich neugierig der Strasse, um den vorbei holpernden Bus zu beobachten.
Gegen Nachmittag war dann endgültig Endstation. Die Hafenstadt Yurimaguas war der letzte mit einem Motorfahrzeug erreichbare Ort. Von hier ging es nur noch auf dem Wasserweg weiter. Sobald der Bus zu einem Halt kam, umkreisten uns schon etliche Mototaxis. Hugo versprach mich schnell und sicher in ein gutes Hotel zu fahren. Was für ein unwiderstehliches Angebot! Tatsächlich übertraf das Hostal Luis Antonio alle Erwartungen und ich verbrachte hier einige Nächte mehr als ursprünglich angenommen... bis zum nächsten Reiseabenteuer, einem Trekking im Amazonas Regenwald