Reisebericht einer Rundreise durch die USA
Countdown am Cape CanaveralCape Canaveral ist ein Küstenabschnitt auf einer Halbinsel an der Ostküste Floridas. Das Kap ist weltbekannt dank dem Kennedy Space Center (benannt nach dem ermordeten US-Präsidenten John F. Kennedy), wo die amerikanische Raumfahrtbehörde NASA ihren wichtigsten Weltraumbahnhof betreibt. In den 1990er Jahren wurden die Raumfahrt-Missionen mit der Endeavour Space Shuttle geflogen. Aus purem Zufall waren wir auf unserer Amerika-Reise in Florida unterwegs, als wir vom nächsten Abschuss einer Endeavour-Rakete vernahmen. Dieses Ereignis konnten wir uns natürlich keinesfalls entgehen lassen. Auf zum Cape Canaveral und dem Kennedy Space Center... |
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05:30 Uhr. Noch 30 Minuten zum Countdown
Es war erst 5:30 morgens und schon gab es praktisch kein freies Plätzchen mehr in der Nähe des Ufers, wo man noch einen Klappstuhl hätte hinstellen können. Stehen wollten die Amerikaner definitiv nicht. Obwohl es noch früh am Morgen war, wurde schon erstaunlich viel gefuttert. In Alufolie warm gehaltene Burger und Pommes Frites aus Tupperware, das Vorurteil der amerikanischen Ernährung wurde deutlich rückbestätigt. Vom Wohnmobil nebenan roch es nach frisch gegrillten Würstchen, je nach Windstoss vermischt mit dem Mief nach Körperschweiss, welcher sich während der ganzen Nacht unter der Decke angesammelt hatte. Etliche sorglos weggeworfene Wal Mart Plastikbehälter verrieten wo die Muffins ursprünglich herkamen. Auch die Ami-Rösti "Hash Browns" stand auf dem Menüplan, welche aber im Unterschied zum Schweizer Original in hydriertem Soyabohnenöl und dimethylpolysiloxanem Mehl hergestellt werden. Eine leichte Brise erfüllte die Luft mit dem viel angenehmeren Kaffeearoma.
15 Minuten
Auf den Tischen trällerten batteriebetriebene Radios vor sich hin, ohne irgendwelche Emotionen in der Menge zu wecken. Nur wenn der Sprecher auf Sendung kam wurde die Kieferbewegung sofort unterbrochen, um dem neuesten Stand der Dinge vollste Aufmerksamkeit zu schenken.
10 Mintuen
"Noch 10 Minuten", verkündete der Radiosprecher feierlich. Ein Raunen ging durch die Menge. Hastig wurden neue Speicherkarten in die Kamera eingelegt und ein Opfer für ein Testfoto gesucht.
5 Minuten
Die Gläser des Feldstechers wurden angehaucht und mit einem Taschentuch abgewischt, wieder angehaucht und wieder abgewischt, erneut angehaucht...
4 Minuten
"Noch 4 Minuten", tönte es aus den einten Radios, während die anderen weiter musizierten. "Die Witterung ist ideal und die letzten Vorbereitung für den Raketenabschuss laufen auf Hochtouren." Tatsächlich präsentierte sich der Tag mit einem äusserst eindrücklichen Sonnenaufgang. Das dunkle Rot des Himmels vermischte sich mit einem gelblichen Farbton und kündigte die bald am Horizont erscheinende Sonne an.
3 Minuten
Die Leute spähten auf die Uhr, als ob sie der Zeitangabe nicht trauen würden und schauten gebannt zur Abschussrampe 39, Dock B rüber. Die sechsköpfige Besatzung der STS-77 Mission winkte den Zurückbleibenden noch ein letztes Mal zu, was aber eher fürs Fernsehpublikum, als für die weit entfernten Zuschauer vor Ort galt.
Final Countdown

"10, 9, 8, 7, 6", tönte es aus den Radios, live aus dem Kennedy Space Center und aus allen Kehlen... "5, 4, 3, 2, 1" Ein ohrenbetäubender Knall. Die Erde bebte. Die Leute sprangen panisch und emotionsgeladen auf. Tische und Stühle wurden umgestossen. Die blendende Helligkeit zwang einen den Blick abzuwenden. Das Licht wurde immer grösser. Trotz der immensen Geschwindigkeit, schob sich die einem leuchtenden Stab gleichende Endeavour mit einem nie gehörten Rumoren wie in Zeitlupe höher. Die Explosionen der sich lösenden Antriebsbestandteile schwappten zeitverzögert durch einen Bruchteil einer Sekunde rüber. Graue Rauchschwaden verfolgten den Flugkörper hartnäckig, soweit das Auge reichte. Die Wasseroberfläche widerspiegelte den ganzen Vorgang, und es sah aus, als ob gleichzeitig eine Rakete zur Erforschung der Unterwasserwelt nach unten gefeuert worden wäre.
Die Feuerkugel verschwand allmählich im unendlichen Universum. Mit spontanen Jubelschreien und Händeklatschen wurde das Spektakel begeistert gefeiert. "USA, USA, USA", wurde geschrien. Als ob man auch was zum Gelingen des Unternehmens beigetragen hätte, klopften sich die Leute auf die Schultern und strahlten um die Wette. Die Stühle wurden wieder zurecht gerückt, die Radios je nach Fanatismus auf einen Sender mit weiteren Kommentaren oder auf Musik gedreht und zur Freude des Tages wurde gleich nochmals gefrühstückt.
Unterdessen vertrieb der Wind die letzten Staubwolken und Zeugen des Raketenabschusses und es kehrte wieder Ruhe ein. Als ob sie nur auf diesen Moment gewartet hätte, übernahm nun die Sonne wieder das Leuchten am Himmel und ein wunderschöner Tag brach an.
Kennedy Space Center
Erst nach einigen Jahren, auf einer weiteren Reise in die USA, besuchten wir das Kennedy Space Center auf der vorgelagerten Halbinsel. Erstens waren wir uns damals gar nicht sicher ob es offen sein würde nach diesem ereignisreichen Tag und zweitens wollten wir uns nicht mit Tausenden von Schaulustigen auf ein Gedränge einlassen. Jedenfalls ist das Besucherzentrum ist für Touristen bestens eingerichtet, mit ausführlichen Informationen zur NASA und der Geschichte der Raumfahrt der USA. Spannend ist auch der Rocket Garden, also der Raketen-Garten, wo diverse Raketen und Raumschiffe ausgestellt sind.